Analyse

In der Kurzerzählung „die Sorge des Hausvaters“ von Franz Kafka aus dem Jahr 1919 beschreibt der Autor ein Phantasiewesen namens „Odradek“. Der Text ist in fünf Abschnitte unterteilt. Der erste Abschnitt befasst sich mit der Etymologie des Wortes „Odradek“. Es ist unklar, ob das Wort aus dem Slawischen oder dem Deutschen kommt. Auch die Bedeutung des Wortes ist in keiner dieser Sprachen zu finden.

Im zweiten Teil des Textes wird das Wort „Odradek“ mit einer Bedeutung erfüllt. Es handelt sich um ein Wesen, das aus einer mit verschiedensten Garnen und Zwirnen umwickelten, sternförmigen Spule einerseits, sowie einem mit dem Stern verbundenen Holzstäbchen andererseits besteht. Ein Ausläufer des Sterns und das Holzstäbchen dienen dabei als zwei Standbeine.

Der dritte Teil enthält eine Spekulation über die ursprüngliche Funktion des Gebildes. Aus der Sicht des Erzählers wirkt Odradek, als hätte er mal eine Funktion gehabt. Da er aber keine Bruchstellen erkennt, wird dieser Gedanke verworfen. In diesem Abschnitt erhält der Leser mit einer Anmerkung zu seiner Beweglichkeit den ersten Hinweis darauf, dass Odradek ein lebendiges Wesen ist.

Im vierten Teil erfährt man mehr über das Verhalten Odradeks. Man weiß nie, wo man ihn als nächstes trifft. Oft ist er für lange Zeit gar nicht auffindbar. Wenn man einmal die Gelegenheit für ein Gespräch mit ihm bekommt, erfährt man nicht viel, höchstens den Namen und die Tatsache, dass er keinen festen Wohnsitz hat. Doch selbst diese Antworten bekommt man nur, wenn Odradek es nicht vorzieht, stumm zu bleiben.

Im letzten Abschnitt spekuliert der Erzähler über den Daseinszweck Odradeks. Auf ihn wirkt das Wesen unsterblich, da es ihm an einem Ziel mangelt, an das er verfolgen und für das er seine Energie aufwenden kann. Es wird es auch noch späteren Generationen Rätsel aufgeben und die Tatsache, dass der Erzähler Odradek nicht versteht, bereitet ihm eine gewisse Nachdenklichkeit, die sich in spekulativ formulierten Sätzen und relativ vielen Fragen ausdrückt.


Deutung

Diese Erzählung bildet den Versuch eines Hausvaters ab, ein sehr rätselhaftes Wesen zu deuten. Die Unverständlichkeit Odradeks wird auf mehreren Dimensionen beschrieben. Allein das Wort „Odradek“ entzieht sich der Deutung des Erzählers. Da alles menschliche Wissen und Verstehen sich auf die Sprache verlässt, stellt dies schonmal ein grundlegendes Problem dar. Wie soll man etwas deuten, was man nur mit einem Wort benennen kann, dessen Bedeutung man nicht kennt?

Die Sprache bleibt ein Problem: der Hausvater nähert sich Odradek mit Hilfe von Fragen, die man sonst einem kleinen Kind stellt. Die Erkenntnisse, die das mit sich bringt, halten sich in Grenzen.

Es ist gut denkbar, dass Kafka die Unzulänglichkeit der menschlichen Erkenntnisfähigkeit an sich kritisiert. Die Beschreibung der Anatomie Odradeks ist bei genauerer Betrachtung nicht minder naiv. Es schwingt eine subtile Ironie mit, wenn das Wesen aus der Sicht eines Hausvaters beschrieben wird und zum Vergleich daher auch einfache Haushaltsgegenstände wie Nähutensilien herangezogen werden.

Zu all diesen sprachlichen Schwächen kommt, dass weder Anfang noch Ende Odradeks bekannt sind oder je bekannt werden. Der Hausvater selbst weiß nicht, wann das Wesen erschaffen wurde oder ob es nicht schon seit Anbeginn der Zeit besteht. Er hält es für wahrscheinlich, dass es auch seine Nachfahren überdauern wird. Um die Gewissheit zu haben, dass dies der Fall ist, reicht ein menschliches Leben nicht aus. Wieder scheitert ein Ansatz, Odradek zu verstehen, an einer menschlichen Schwäche, nämlich der Sterblichkeit.

Der letzte Abschnitt enthält dann die aus den menschlichen Schwächen resultierende Unverständnis. Der Hausvater misst Odradek wieder an menschlichen Maßstäben, als er anmerkt, dass das Wesen kein Ziel und keine Tätigkeit hatte, woran es sich hätte „zerreiben“ können. Dass es sich nicht an diesen menschlichen Maßstäben messen lässt ist nur ein weiteres Indiz dafür, dass Odradek sich nicht damit zufrieden gibt, vom Menschen interpretiert und kategorisiert zu werden. Die „schmerzliche“ Vorstellung im letzten Satz resultiert aus der kränkung, die ein Mensch erfährt, wenn er etwas nicht begreifen kann.

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Interpretation – Die Sorge des Hausvaters
Wissen verdoppelt sich, wenn man es teilt.
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