Interpretation – 13 Punkte (1-) im Jahrgang 13 – Grammatik, Rechtschreibung berichtigt
Das Sonett „An die Geschminckte“ wurde von Andreas Gryphius, dem bedeutendsten Lyriker und Dramatiker des Barock, verfasst. Der 1616 in Glogau geborene Dichter genoss eine gute Ausbildung unter anderem am Akademischen Gymnasium Danzig. Er fungierte schon mit 14 als Privatlehrer und erweiterte sein Wissen mittels Bildungsreisen nach Frankreich und Italien. Durch die Zerstörung Glogaus ist er vom 30-jährigen Krieg geprägt und lässt dies durch Themen wie Leid, moralischen Zerfall und Zerrissenheit in seine lyrischen Werke einfließen. Auch die Eitelkeit spielt wie in diesem Gedicht eine Rolle, sie ist das typische Motiv der Vergänglichkeit allen menschlichen Schaffens und Strebens im Barock. Autoren wie Georg Harsdörffer, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und Johan J.C. von Grimmelshausen sind bekannte Zeitgenossen von Gryphius. Die Lebenseinstellung zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert war sehr gespalten. Einerseits waren Schlösser und Hofgärten und ebenso die katholischen Kirchen prunkvoll ausgerichtet und der Adel genoss das Leben in vollen Zügen nach dem Motto „Carpe Diem“-Nutze den Tag, andererseits fielen viele Soldaten im Krieg und die Menschen dachten nur noch an den Tod – „Momento mori!“
Die Form des französischen Sonetts ist charakteristisch für die Literaturepoche des Barock, jedoch ist die Stropheneinteilung der 14 Verse eher untypisch, da sie nicht in zwei Quartette und zwei Terzette aufgeteilt sind, sondern in einer Strophe zusammengefasst sind.
Das lyrische Ich kritisiert mit dem Gedicht die künstliche Schönheit der adeligen Frauen zur Zeit des Barock und fragt dabei nach den inneren Werten.Wie viel Wert hat so eine „künstliche“ Frau?
Zunächst beschreibt es das Aussehen der Geschminkten.
Das lyrische Ich stellt die rhetorische Frage, was die Geschminkte ihr „eigen“(V.1) nennt. Es will wissen, was an ihrer Person noch echt ist. Eine Häufung von Substantiven zum Beispiel „Kunst“, „Mund“(V.2), „Schmincke“(V.3), „Pracht“(V.6) und „Stirn“(V.7), verdeutlicht, dass es sich nur um Darstellung handelt. Es ist keine Handlung erkennbar, nur die Fassade ist bedeutend. Folgend werden alle Faktoren der künstlichen Schönheit aufgezählt, die die Geschminkte aufweist. Metaphorisch werden Kunstzähne beschrieben (Vgl.V.2) und der „Schmincke dunst“ (V.3) täuscht eine makellose Haut vor, wobei das Wort „Dunst“ im Sinne von Verschleierung negativ konnotiert ist. Außerdem trägt sie „frembdes Haar“ (V.4), damals wurden Perücken als schön empfunden, dabei sind sie unnatürlich. Das Rouge auf den Wangen wirkt „gezwung[en]“ und „brenn[end]“ (V.5), diese Metapher deutet daraufhin, dass die Verwendung des Rouges übertrieben ist. Des Weiteren bemängelt das lyrische Subjekt die „falsche Pracht“ (V.6) am Hals der Geschminkten, denn nicht einmal der Schmuck, den die aufgehübschten Frauen tragen, ist echt. Die „polirte Stirn“ (V.7) der Dame weist auf falsche Ehrlichkeit hin, denn es ist so auffällig, dass sie „billich ausgelacht“(V.7) wird. Die „alben“ helfen nicht mehr, um alle „Runtzeln“ (V.8) zu verdecken, denn man kann nicht alle Alterserscheinungen verschleiern. Kein Mensch ist ewig jung. Die Alliteration auf „S“ (Vgl.V.8) steht dabei für die Sinnestäuschung und die oberflächliche Schönheit.
Mit der Frage „was mag wol in Euch sein“ (V.9) leitet das lyrische Ich zu seinen Vermutungen über die inneren Werte der geschminkten Frau ein. Es erwartet kaum mehr als „List und Truegerey“ (V.10), wie er es am „Haupt / das sich so falsch gezieret“ (V.11), allegorisch für das unnatürliche Aussehen, schon gesehen hat. Darunter wird sich wohl auch „ein falsch Hertze […] voll schnoeder heucheley […] und Gleißnerey“ (V.12/13) verbergen, wobei das Herz nun für den Charakter steht. Die Correctio „wer Euch trawt“ (V.14) verdeutlicht, dass einige potenzielle Vertraute schon durch das Äußere abgeschreckt werden, doch diejenigen, die der Geschminkten doch ihr Vertrauen schenken, werden „jammerlich verfuehret“ (V.14), wobei diese Wendung metaphorisiert für Vertrauensmissbrauch steht.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Charakter und die inneren Werte eines Menschen wirklich zählen, denn Schönheit ist vergänglich und nichts, worauf man bauen kann. Wer möchte mit einem Menschen zusammen leben, der schön ist, aber einen schlechten Charakter hat?
Die Aktualität des Gedichts ist somit gegeben. Eine Beziehung oder Freundschaft baut man nicht über das Aussehen auf. Die „Chemie“ zweier Menschen muss stimmen, das ist wichtig.