Das Theaterstück „Andorra“, geschrieben von Max Frisch, wurde 1961 uraufgeführt. Das Stück handelt von dem Juden Andri, der aufgrund seiner vermeintlichen Religion von seinen Mitmenschen in dem Land „Andorra“ so diskriminiert wird, dass er sich selbst mit dem Porträt des „Juden“, welches die anderen gestaltet haben, identifiziert. Er verändert sich im Laufe der Geschichte, sodass er sich stetig nur noch mit sich selbst beschäftigt und mit der Frage, ob das, was die Anderen sagen, der Wahrheit entspricht. Diese Veränderung verursacht, dass er an die ganzen Vorurteile glaubt.
Die Frage, die im Weiteren erörtert wird, ist die, inwiefern sich die Vorurteile der Andorraner in ihrem eigenen Verhalten widerspiegeln.
Die erste Figur, bei der sich sein eigenes Verhalten widerspiegelt, ist der Tischler. Das erste Vorurteil, das er gegen Andri hat, ist Geldgier. Als Andris Vater, der Lehrer, eine Tischlerlehre für Andri beantragen möchte, meint der Tischler, dass Andri dorthin gehen soll, wo es für seinesgleichen bestimmt ist. Als Beispiel nennt er die Börse oder das Immobiliengeschäft. Außerdem meint er, der Jude hätte das Tischlersein nicht im Blut. Wenn man den Tischler, jedoch genauer unter die Lupe nimmt, bemerkt man, dass er selbst nicht frei von Geldgier ist, eben weil er einen unmöglichen Preis für eine Lehre verlangt. Unter anderem, weiß der Tischler für sich nichts von seinem Handwerk versteht. Dies bemerkt man er von seinem Handwerk prahlt. „Tischler: Tischler werden ist nicht einfach, wenn’s einer nicht im Blut hat […] Wenn einer nicht aufgewachsen ist mit dem Holz […] , aber hierzulande wird in andorranischer Eiche gearbeitet, mein Junge. Andri: Das ist Buche.“ Andri ist ein einfacher Geselle, und kann die Arten von Holz unterscheiden, wobei der eigentliche „Handwerker“ dies nicht kann. Dies zeigt deutlich, wie ignorant der Tischler ist.
Eine weitere Figur mit Vorurteilen, der Soldat Peider meint ,dass Juden feige seien. Außerdem redet er Andri ein, dass er sich bei anderen Menschen beliebt machen müsse. Bei genauer Betrachtung des Charakter Peider, wird dem Leser Peider schnell unsympathisch. Er zeigt seine abstoßende Art, als er sein Soldaten da sein als Ausrede verwendet, um sich unangemessen zu verhalten und sich auch zu betrinken. (vgl. S.20) Außerdem läuft er am Ende des Stücks zu der anderen Truppe über, welches seine eigene Feigheit verdeutlicht.
Das schwerwiegendste Vorurteil und anti-semitische Verhalten ist beim Doktor zu finden. Als Andri aufgrund einer Erkrankung beim Doktor ist, verbreitet dieser in der Praxis seinen Nationalstolz über Andorra und gibt dem Juden die Schuld daran, dass er wieder in seine Heimat zurückgekehrt ist. „Ich kenne den Jud. Wo man hinkommt, da hockt er schon, der alles besser weiß, und du, ein schlichter Andorraner, kannst einpacken. So ist es doch. Das schlimmste am Jud ist sein Ehrgeiz. In allen Ländern der Welt hocken sie auf allen Lehrstühlen, ich hab’s erfahren, und unsereinem blieb mir nichts als die Heimat.“ (S.40) Wenn man dieses Zitat kritisch beobachtet, erkennt man, dass sich der Doktor heuchlerisch verhält. Er hatte keinen Erfolg im Ausland und projiziert diese Niederlage auf den Juden, der ihm die Lehrplätze wegnahm. Außerdem verhält er sich heuchlerisch, denn bei einer anderen Gelegenheit gibt der Doktor die Schönheit des Landes, Andorra, als Grund für seine Rückkehr nach 20 Jahren.
Des weiteren zeigt sich auch, dass er keinen Doktortitel besitzt. Diese Vermutung bestätigt sich später, als der Lehrer gesteht, dass er selbst Schmuggelei begonnen hat, wie jeder Andorraner. Im Gegensatz zum Arzt, bestätigt er jedoch, dass er keine Titel geschmuggelt hat. (vgl. S.42)
Anhand der genannten Beispiele lässt sich zusammenfassend leicht erkennen, dass viele der Vorurteile die gegen Andri gerichtet sind, sich auf die Personen wiederspiegeln, die sie ins Leben gerufen haben. Im Stück gibt es einige Stellen, bei denen die Charaktere ihr Scheitern auf Andri projizieren. Andri repräsentiert für die Andorraner das Gesamtbild aller Juden, bei denen ihnen Schlechtes widerfahren ist. Man bemerkt bei den Andorranern, dass sie anstatt die Fehler bei sich selbst zu suchen, diese auf andere Personen projizieren, um sich selbst reinzuwaschen.

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Literarische Erörterung: Andorra
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Luis

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