Aufbau der Handlung

Im Gesamtzusammenhang der Dramenhandlung steht der Auftritt am Ende des Höhepunkts, in dem üblicherweise die Handlung umschlägt und es eine Wendung gibt. Unter anderem erreicht der zentrale Konflikt seinen Höhepunkt. So gibt es im vorangegangenen Aufzug eine kleine Vorwegnahme, in dem man eine Vorahnung bekommt, dass die Hochzeit nicht stattfinden wird. Für den wesentlichen Verlauf der Handlung hat die Szene eine kleine Bedeutung, da Claudia eine Vermutung, dass der Tod von Appiani geplant war und der Mörder „gekauft“ wurde.

Verlauf der Handlung

In dem Auftritt findet ein Gespräch zwischen Claudia Galotti und Marchese Marinelli statt. Claudia kommt ins Lustschloss des Prinzen und ist überrascht Marinelli dort anzutreffen, sie erkennt ihn als denjenigen mit dem Graf Appiani am Vormittag noch Streit hatte. Sie fragt ihn nach seinem Namen und erinnert sich an die letzten des Grafen, die da waren der Name Marinelli. Marinelli ist überrascht dies zu hören und behauptet der Graf hätte ihn nur deswegen erwähnt, weil sie vertraute Freunde waren. Der Marchese will Claudia zu Emilia führen und erwähnt, dass der Prinz bei ihr sei. Claudia ist überrascht und zugleich empört, frägt nach um welchen Prinzen es sich handelt, um auch sicherzugehen, dass es der Prinz Gonzaga ist. Zudem ist sie zutiefst besorgt, dass Emilia etwas zugestoßen sein könnte. Sie sagt, dass ihr alles klar sei, dass die Tat bereits in der Kirche begonnen hat und beschimpft Marinelli ein Mörder zu sein, jedoch nicht mutig genug sei selbst zu töten. Sie ist aufgebracht, wütend und schreit Marinelli an. Durch ihr lautes Geschrei wird Emilia auf sie aufmerksam. Claudia hört ihre Tochter und stürzt sofort erleichtert zu Emilia ins Zimmer, Marinelli eilt ihr nach.

Bild1 - Emilia Galotti – 3. Aufzug, 8. Auftritt von Gotthold Ephraim Lessing - Interpretation des Trauerspiels

Analyse

Eine genaue Analyse des Gesprächs soll nun zeigen, welche Hauptinteressen die Figuren im Dialog verfolgen und welche Redestrategien sie einsetzen, damit sie ihre Ziele erreichen. Ausschlaggebend für die Gesprächsführung sind allerdings Gesprächsbedingungen beider Partner. So findet das Gespräch im Lustschloss des Prinzen, nachdem der Überfall auf die Kutsche verübt worden war, statt. Das Verhältnis zwischen Claudia und Marinelli ist eher privat, ein Gespräch zwischen einem Höfischen und einer Bürgerlichen. Dennoch geht es nicht um etwas Geschäftliches, sondern eher um die Frage wie Graf Appiani zu Tode kam. Man könnte meinen, es herrscht etwas Rivalität zwischen ihnen. Die Beiden haben eine unpersönliche Beziehung zueinander, denn sie kennen sich nicht, nur kurz vom Sehen am Vormittag als Marinelli den Grafen besucht hat. Zudem hat Claudia eine Vorahnung, dass der Mord am Appiani kein Zufall, sondern geplant war und Marinelli und der Prinz etwas damit zu tun haben. Sie sollen z!war nicht selber gemordet haben, aber jemanden engagiert haben, der den Grafen töten soll. Claudia Galotti ist eine bürgerliche Frau, die nicht arm ist, aber auch nicht dem Adel angehört. Marinelli hingegen ist der Kammerdiener des Prinzen. Die erläuternden Gesprächsbedingungen machen deutlich, dass es sich bei dem vorliegenden Dialog um ein persönliches Gespräch zwischen Marchese Marinelli und Claudia Galotti handelt. Allerdings wird auch deutlich, dass die beiden Figuren unterschiedliche Hauptinteressen verfolgen. Claudia, die nach dem Überfall auf das Lustschloss kommt, verfolgt das primäre Interesse, ihre Tochter wieder sehen zu können. Das wird vor allem daran erkennbar, dass sie sofort nach ihrer Tochter fragt, und Marinelli bittet sie zu ihr zu führen, zudem kommt sie im Verlauf des Gesprächs mehrmals auf ihre Tochter zurück und bangt, dass diese auch bei dem Überfall gestorben ist. Claudia ist besorgt und fragt Marinelli, was Emilia dafürkonnte, dass Appiani sein Feind war. Am Ende des Gesprächs ist sie sehr erleichtert, nachdem sie Emilias Stimme hört, dass sie sofort zu ihr stürzt. In der Regieanweisung wird auch deutlich, wie froh sie ist. „Sie stürzt in das Zimmer, (…)“ (Z. 31f.) Marinelli hingegen verfolgt ein anderes Ziel bei diesem Gespräch. Er möchte Claudia Galotti davon überzeugen, dass er und der Graf keine Feinde waren, so wie Claudia ihm das vorwirft. Immer wieder betont er, dass Appianis letzte Worte „Marinelli“ rein aus Freundschaft waren und nicht wegen dem Mord an ihm.

Erläuterung

Regieanweisungen bekommt Marinelli keine, aber man kann beim Lesen durchaus erkennen, dass der Marchese sich von Claudia nicht aus der Ruhe bringen lässt. Auch nicht dann als sie ihm vorwirft einen Mörder engagiert zu haben, um Graf Appiani töten zu lassen. Um ihre unterschiedlichen Ziele im Dialog zu beeinflussen bzw. das Ergebnis des Dialogs zu beeinflussen, setzten die Figuren unterschiedliche Redestrategien und sprachliche bzw. Dramaturgische Mittel ein: So dominiert Claudia Galotti das Gespräch dadurch, dass sie wesentlich mehr Redeanteile liefert als Marinelli. Außerdem wirkt sie ziemlich aufgebracht, dies wird vor allem durch Ellipsen „Ha! – Das dein Herr?“ (Z.17), „Sie hier, mein Herr?“ (Z.17) oder „Und hier meine Tochter?“ (Z.18) zum Ausdruck gebracht. Außerdem wirken die Redeanteile von Claudia Galotti ziemlich hastig, gar etwas nervös, man bemerkt, dass sie aufgebracht ist, sich um ihre Tochter sorgt. Die Redestrategien des Marinellis sind ganz anders. Er reagiert sachlich und höflich, bleibt völlig gelassen. Das kann man sehr deutlich an den Höflichkeitsfloskeln erkennen „Mit vielem Vergnügen, gnädige Frau.“ (Z. 20), „Sie hören gnädige Frau, (…)“ (Z.4f.) oder auch „Sie schwärmen, gute Frau.“ (Z.21). Insgesamt ist sein Redeanteil ein gutes Stück kürzer als das der Claudia.

Gliederung

1. Einleitung
2. Hauptteil: Erschließung und Interpretation von Aufzug 3, 8. Auftritt aus „Emilia Galotti von Gotthold Ephraim Lessing aus dem Jahr 1772
2.1 Funktion im Gesamthandlungsverlauf: Abschluss des Höhepunkts
2.2 Inhalt und Aufbau: Gespräch zwischen Marinelli und Claudia Galotti über Überfall auf den Grafen

2.2.1 Eintreffen der Claudia Galotti (Z.15-26)

2.2.2 Gespräch über Tod des Grafen (Z.27-25)

2.2.3 Prinz bei Emilia (Z.26-8)

2.2.4 Unterstellung des Mordes (Z.9-20)

2.2.5 Zusammentreffen Emilia und Claudia (Z.21-32)
2.3 Dialoganalyse

2.3.1 Gesprächsbedingungen

2.3.1.1 Ort/Zeit: Lustschloss des Prinzen; nach Überfall

2.3.1.2 Verhältnis der Figuren: privat/ Rivalität; Marinelli: Kammerdiener; Claudia: Hausfrau

2.3.1.3 Persönliche Beziehung: nicht persönlich

2.3.1.4 Soziale Stellung: Kammerdiner vs. Hausfrau
2.3.2 Dialogart: privates Gespräch mit unterschiedlichen Interessen

2.3.2.1 Hauptinteresse der Figur Marinelli: Überzeugung der Claudia

2.3.2.2 Hauptinteresse der Figur Claudia: Wiedersehen der Emilia, Aufdeckung des Todes
2.3.3 Redestrategien der Figuren und sprachliche sowie dramaturgische Mittel

2.3.3.1 Redestrategie der Figur Claudia

2.3.3.1.1 Redestrategie 1: Aufdeckung des Todes von Appiani (eingesetzte Mittel: Ellipsen, höherer Redeanteil, „hastiges“ Reden)

2.3.3.2 Redestrategie der Figur Marinelli:

2.3.3.2.1 Redestrategie 1: Überzeugung und Abwimmeln der Claudia (eingesetzte Mittel: Höflichkeitsfloskeln, insgesamt weniger Redeanteil)

Video

Originaltext

http://www.zeno.org/Literatur/M/Lessing,+Gotthold+Ephraim/Dramen/Emilia+Galotti/3.+Akt/8.+Auftritt

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Emilia Galotti – 3. Aufzug, 8. Auftritt von Gotthold Ephraim Lessing – Interpretation des Trauerspiels
Wissen verdoppelt sich, wenn man es teilt.
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