Bismarcks Umgang mit Minderheiten und Andersdenkenden

Vorgeschichte: Zur Zeit Bismarcks gab es vier Hauptrichtungen von Parteien: die Liberalen, die Konservativen, der politische Katholizismus („bürgerliche“ Partei) und die Arbeiterbewegung die sich in den 1860er Jahren aus verschiedenen Gruppen zu der Sozialdemokratischen Partei formierte. Jede dieser Parteien hatte einen festen Parteivorstand, die Kandidaten wurden von Parteimitgliedern per Wahlen nominiert und von ihnen im Wahlkampf unterstützt. Die gewählten Abgeordneten bildeten im Parlament nach ihrer Parteizugehörigkeit Fraktionen. Diese Parteien vertraten im Parlament nur bestimmte Gruppen deren Interesse in den deutlich abgegrenzten Grundsatzprogrammen festgehalten wurde. Dies war die Grundlage für die Arbeit in den Fraktionen und den Wahlkämpfen. Bei den Liberalen und Konservativen gab es mehrfache Parteispaltungen aufgrund von verschieden Meinungen über das Parteiprogramm. Die Verfassung 1871 brachte für Deutschland keine parlamentarische Verfassung, keine politische Verantwortung für die Parteien: es gab keine Regierungspartei auch keine Opposition die nach dem Wahlsieg die Regierung hätten übernehmen können. Die Parteiführer nahmen zu dieser Zeit keine Rücksicht auf das Staatsinteresse sondern auf das ihrer Wähler. Es wurden auch keine Koalitionen geschlossen, da sie nicht zu Abstrichen an ihren Programmen gezwungen waren. Politisch Andersdenkende wurden als „Reichsfeinde“ angesehen. Aber auch die Parteien wurden als „Staatsgefährdung“ angesehen. Viele Deutsche sahen die Parteien nicht als politische Kraft an. Bismarck förderte diese Einstellung der Bürger und sprach den Parteien seine Verachtung aus. Für seine Mehrheit im Reichstag wechselte Bismarck häufig die Partei (je nach Interesse) und nutzte deren Gegensätze in den Parteiprogrammen um sie gegeneinander auszuspielen.
Reichsfeinde: Für Bismarck hing das Wohlergehen des Staates eng mit der unangefochtenen Autorität der Regierung der Länder. Einen Widerspruch zu seiner Regierungspolitik wertete er als Angriff auf die staatl. Autorität. Auch Parteien die in ihrem Programm die bestehende Ordnung ablehnten galten als Reichfeinde, da sie keine nationale Politik verfolgten! Diese Reichsfeinde mussten mit allen Mittel bekämpft werden!
Zentrumspartei: Da sie zu einer Zusammenarbeit mit oppositionellen Minderheitenparteien bereit waren. Außerdem sah Bismarck die Führer der Partei als Befehlsempfänger des Papstes -> Bismarck wollte verhindern, dass der Papst Einfluss auf die dt. Innenpolitik bekam.
(politische) Katholizismus: Zwischen Bismarck und denn deutschen Katholiken gab es einen schon länger bestehenden Konflikt über die Trennung des Staates von der Kirche.
Sozialdemokraten: Die Sozialdemokraten vertraten das genaue Gegenteil der Politik Bismarcks. Ihr Programm sah eine grundlegende Umgestaltung von Staat und Gesellschaft vor – von der Monarchie zur Demokratie.
Juden: Durch die Gründerkrise 1837 (Wirtschaftskrise) kam der Antisemitismus erneut auf und wurde von vielen Vereinen und Verbände aufgegriffen.
Polen: In vielen Gegenden Posen und Westpreußen bildeten die Polen die Mehrheit der Bevölkerung. Da sie ihre Kultur und Sprache erhalten wollten und dazu noch einen katholischen Glauben hatten, kam der Vorwurf der Obrigkeit auf, die Polen seien keine verlässlichen Staatsbürger.
Negative Integration: Herrschaftstechnik, welche von Bismarck entwickelt wurde. Sie stilisiert die inneren Konflikte derart um, dass er eine Mehrheit von „reichstreuen“ Elementen gegen eine Minderheit von „Reichsfeinde“ führen konnte.
Kulturkampf: Als Kulturkampf wird der Konflikt zwischen dem preußischen Staat und der kath. Kirche bezeichnet. Die kath. Kirche wurden in Deutschland politisch durch die Zentrumspartei repräsentiert. Der Konflikt wurde durch das Dogma des Vatikanischen Konzils (18. Juli 1870), indem die Unfehlbarkeit des Papstes verkündet wurde, ausgelöst. Der preuß. Staat sah darin einen Widerspruch zu seiner Forderung nach Unabhängigkeit von jeglichen geistlichen Einflüssen. Der Konflikt begann durch die Weigerung einer Gruppe katholischer Theologen und Religionslehrer dieses Dogma anzuerkennen. Diese Gruppen nannte man Altkatholiken. Der Staat fühlte sich durch die Forderung diese Altkatholiken aus ihren Stellung zu entlassen in seiner Innenpolitik beeinflusst und lehnte dies ab. Daraufhin begann eine Verleumdungskampagne gegen die Urheber dieser Forderung, der Zentrumspartei, die als papsthörig und national unzuverlässig beschimpft wurden. Unterstützung erhielt der preußische Staat und Bismarck durch die Liberalen da sie ebenso für eine Trennung von Staat und Kirchen und für einen Rückweisung des kirchlichen an Spruch auf das Schulwesen waren. Um dies umzusetzen wurden verschiedene Gesetze beschlossen. Diese wurden auch (Kultur)Kampfgesetze genannt. In diesen Gesetzen wurde eine Beschränkung der Kirche auf karitative und seelsorgerische Aufgaben beschlossen. Von der evangelischen Kirche kamen im Gegensatz zu der katholischen Kirche keine Widersprüche. Es kam zu zahlreichen Haftstrafen für kath. Geistliche, die Bevölkerung unterstützte die Geistlichen und die Zentrumspartei in dieser Zeit mit passivem Widerstand gegen die Regierung. Unterstützung erhielt Bismarck allerdings von den Liberalen, die in dem Kampf gegen den Katholizismus, den Kampf für die Kultur Europas sahen. Von Seiten der Kirche kam es zu Angriffen gegenüber Bismarck, sowohl über die Presse als auch mit einem Attentat auf ihn. Daraufhin kam zu einer Verschärfung der Gesetze, Pfarrer durften jetzt nicht mehr in ihren Predigten über politische Themen reden, Geistliche mussten vor ihrer Weihe eine staatliche Prüfung ab und der Abschluss an einem dt. Gymnasium vorlegen. Auch die Geburt, Ehe und Tod wurden nicht mehr von der Kirche beurkundet sondern durch eine staatliche Einrichtung, das Standesamt. Bismarcks größter Widersacher, Ludwig Windhorst, einer der Gründer der Zentrumspartei war der Meinung der Kulturkampf sei ein nationales Unglück, viel Bürger unterstützten ihn dabei. Er trat aber nicht nur für seine katholischen Mitbürger ein, er wollte sondern die gleichen Rechte und Freiheiten für alle Konfessionen und Religionen, des Weiteren lehnte er es ab als Befehlsempfänger des Papstes eingeschätzt zu werden. Durch dieses Engagement Windhorst kam es zu einer immer festeren Bindung der kath. Bevölkerung zu dem Zentrum. Eine Folge davon war dass, die Partei in den Reichswahlen 1871 und 1878 ihr Mandat im Reichstag von 63 auf 94 Abgeordnete vergrößerte. Damit waren sie ab 1878 die zweitstärkste Fraktion. Otto von Bismarcks Taktik, die Katholiken zu schwächen war damit fehlgeschlagen. Nun bemühte er sich bei dem neuen Papst Leo VIII. den Konflikt, ohne politisches Ansehen einzubüßen, zu beenden. Als folge der Verhandlungen zwischen den beiden, wurden die Kampfgesetzte Schritt für Schritt abgebaut und die Selbstständigkeit der Kirche wiederhergestellt dafür erkannt der Papst das staatl. Standesamt sowie die staatl. Schulaufsicht, beides noch bis heute erhalten, an. Pfarrer durften aber weiterhin bei ihr Predigt nicht über politische Themen predigen. Das Zentrum akzeptierte und unterstützte dafür die Politik Bismarcks um die Liberalen zu schwächen. Hier noch mal alle wichtigen Gesetze im Überblick:
1871: Erweiterung Strafgesetz um Kanzelparagraph (Verbot dem Geistlichen staatl. Angelegenheiten während Amtsausübung zu behandeln)
1872: Aufhebung d. geistl. Schulinspektion, öffentl. u. private Schulen unter staatl. Aufsicht in Preußen; Verbot Jesuitenorden
1873: für Übernahme eines geistl. Amtes werden Reifezeugnis eines dt. Gymnasiums, Studium an einer dt. Uni + Kulturexamen in Geschichte, Philosophie, dt. Geschichte verlangt
1874: nur noch staatl. Beurkundung von Taufe, Trauung, Todesfall rechtsverbindlich (Einrichtung Standesämter)
1875: Brotkorbgesetz: Sperrung staatl. Geldzuwendungen für kath. Kirche; Verbot aller Orden (außer Krankenpflege) durch Klostergesetz in Preußen
Sozialistengesetz: Bismarck sah in der Sozialdemokratie die größte Gefahr für das bestehende System, schließlich sah ihr Programm eine grundlegende Veränderung in Staat und Gesellschaft vor. 1878 in dem Jahr, in dem die SPD ihr stärkstes Wahlergebnis hatte, boten zwei Attentate auf Kaiser Wilhelm I. für Bismarck, die konservative Partei und die Nationalliberalen den fälschlichen Vorwand, um gesetzgeberisch gegen die Sozialdemokraten vorzugehen: Das Sozialistengesetz ermöglichte der Polizei – ohne Einschaltung der Gerichte das Verbot oder die Auflösung aller Verdächtigen Versammlungen, die Beschlagnahmung von Parteikassen, Büchern und Zeitungen, Hausdurchsuchungen, Verhaftung und die Ausweisung von Personen aus ihrem Wohnort. August Bebel, Vorsitzender der SPD von 1840 bis 1913, organisierte damals eine planmäßige der verfolgten Genossen, auch ein neues Parteiorgan wurde in Zürich gedruckt und dann ins Reich geschmuggelt. Der Stimmenanteil bei den Reichstagwahlen 1878 und 1881 ging da zwar etwas zurück aber bereits bei der darauf folgenden Wahl 1884 wurde das Ergebnis der letzten unbehinderten Wahl von 1877 übertroffen. Obwohl diese Gesetze mit unerbittlicher Härte durchgesetzt wurde erreichten sie ihr Ziel: die Auflösung sämtlicher sozialdemokratischer Vereine und Parteinen nicht.

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Bismarcks Umgang mit Minderheiten und Andersdenkenden
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