Das von Friedrich Schiller verfasste Drama ,,Kabale und Liebe“, uraufgeführt 1784, behandelt den Gesellschaftskonflikt zwischen Bürgertum und Adel zu jener Zeit.
Das bürgerliche Drama thematisiert die verschiedenen Konflikte, die durch die Liebesbeziehung zwischen der bürgerlichen Luise und dem Adeligen Ferdinand von Walter verursacht werden.

Die vorliegende Szene ist der Mitte des 1. Aktes zuzuordnen. Zuvor ergibt sich ein Gespräch zwischen Herrn und Frau Miller und dessen Tochter Luise. Luise zeigt sich verliebt in Ferdinand, was Herrn Miller nicht erfreut. Er geht schließlich ab sowie Frau Miller, als sie erfährt, dass Ferdinand kommt.

Im Anschluss besucht Ferdinand Luise. Als Ferdinand bemerkt, dass es Luise nicht gut geht, sorgt er sich um sie und schwört ihr heftig seine Liebe. Luise jedoch fühlt sich beinahe übergangen und erklärt Ferdinand ihre Zweifel ihrer Liebesbeziehung wegen des Ständeunterschiedes. Am Ende stürtzt sie hinaus.

Der Anlass des Gesprächs ist kein bestimmter. Ferdinand vermisst Luise und möchte sie nur kurz besuchen und sich vergewissern, dass es ihr gut geht. (S.19, vgl. V.2f.)

Ferdinands Ziel in dem Dialog ist es, Luise zu ermuntern und sie zu besänftigen, als er ihre Sorgen und Ängste erfährt. (vgl. S.20,V.25f.)
Zudem möchte er ihr seine Liebe beweisen, indem er ihr seine Liebe heftigst schwört und somit versucht, ihren Kummer zu vertreiben.(vgl.S.19,V.17ff. ; S.20,V.14ff.)
Luise hingegen hat das Ziel vor Augen, Ferdinand die Lage ihrer Liebesbeziehung zu erläutern und ihn somit vor den Folgen ihrer Beziehung zu warnen.(vgl. S.20, V.13)
Sie rät ihm, ihr keine Hoffnungen zu machen, da sie denkt, dass ihre Beziehung zum Scheitern verdammt ist und keine Zukunft hat. (vgl. S.21,V.1ff.)

Es fällt auf, dass sich Ferdinand im Dialog oft auf sich selbst bezieht. Er benutzt mehrfach Worte wie „ich“, „mich“ und „meine(r,m)“ (S.19, V.2ff., V.6ff.,V.18;2 S.20 V. 20f. …). Seine Aussagen sind generell sehr auf sich selbst bezogen. Er spricht viel von seinen Absichten, seinem Willen und seiner Überzeugung, anstatt auf Luises Ansichten einzugehen. (vgl. S.20, V.14ff.)
Dies zeigt seinen egozentrischen Charakter.
Ferdinand versucht, Luise durch zahlreiche Verbildlichungen klar zu machen, dass die Kraft seiner Liebe höher ist als die Hindernisse der Standesschranke.(vgl. S.20, V.16ff.)
Durch seine ausschweifenden Liebesgeständnisse gepaart mit bildlichen Vergleichen seiner Liebe zu ihr, hofft er, sie von seiner Liebe zu überzeugen und ihr ihre Sorgen abnehmen zu können.
Ferdinand zeigt sich zunächst schockiert, als er von Luises Zweifeln erfährt und ist erschrocken, dass ihr solche Gedanken in den Kopf kommen (vhl. S.19,V.17ff.). Er reagiert durchgehend sehr leidenschaftlich und emotional (vgl. S.19,V.17; S.20,V.3) und widerlegt dann ihre Sorgen in der Rolle eines Beschützers. (vgl. S.20,V.14 ff.)

Luise dramatisiert ihre Gefühlslage und ihre Ängste anhand ihrer fürchterlichen Zukunftsvisionen.
Sie sieht ,,ein[en] Dolch“ über sich und Ferdinand (S.20,V.2) und spricht von einem ,,Abgrund“, „in den [sie] [..] ganz gewiss stürzen muss“(19,V.29). Durch diese Aussagen möchte sie Ferdinand klarmachen, dass sie aufgrund des Ständeunterschieds überhaupt nicht zusammen sein können.
Sie sieht ihre Beziehung zum Scheitern verdammt und schildert Ferdinand ihre Trauer, weil sie eine glückliche Zukunft zwischen ihnen nur als „wilde Wünsche“ sieht (S.21,V.3).

Was in der Sprache und Form der Äußerungen auffällt ist, dass sowohl Ferdinand als auch Luise oft Worte und Satzteile, teils in einem Satz, wiederholen (Luise: vgl. S.19,V.4;S,21,V.2 ; Ferdinand:
vgl. S.20,V.3f., V.14,V.20). Luise bezweckt durch die Wiederholung der Satzteile vor allem das Ausdrücken ihres Elends und der Dramatik ihrer Lage, während Ferdinand durch das mehrfache Betonen die Rolle eines leidenschaftlichen Liebhabers einnimmt. Ferdinand benutzt zunächst Symbole der Unzertrennlichkeit und der Vorherbestimmung wie „die Töne eines Akkords“ und „die Handschrift des Himmels“ (S.20,V.4-8), mit denen er die Eigenschaften ihrer Beziehung zu beschreiben versucht.
Anschließend erläutert er seine Liebe, indem er schwere Hindernisse metaphorisch darstellt, wie z.B. „Gebürge“ (S.20,V.15) und seine Rolle als verantwortungsvoller Beschützer unter Beweis stellt (vgl. S.20,V.20ff.).
Er verwendet somit zahlreiche Metaphern, Vergleiche und Symbole, mit denen er Luise die Heftigkeit seiner Liebe schwört.
Luise verwendet diese rhetorische Mittel hingegen, um ihre negativen Zukunftsvisionen und ihre Sorgen zu betonen.

Luise ist im Laufe des Dialogs sehr aufgewühlt. Gegen Ende der Szene drückt sie Ferdinand „in großer Bewegung“ von sich.
Sie offenbart ihre Zerrissenheit in Ausrufen und unvollständigen Sätzen (vgl. S.21,V.3ff.), will fort und spricht zugleich von ihren „wilde[n] Wünsche[n]“(S.21,V.3) , von einem „Feuerbrand“ in ihrem Herzen, der nicht gelöscht werden kann (S.21,V.5f.) und stürzt am Ende erregt hinaus.
Auch ihre Mimik und Gestik gibt Auskunft über ihre innere Zerrissenheit.
In ihren Gesten entfernt sie sich zunehmend von Ferdinand. Zunächst „fällt [sie] ihm um den Hals“(S.18,V.6), fasst seine Hand und lässt sie dann los (vgl. S.19,V.27;S.20,V.1), und zuletzt „drückt [sie] ihn von sich“ (S.20,V.30). Zugleich bekennt sie, dass sie von wilden Liebeswünschen geplagt wird.

Ferdinand hingegen sucht körperliche Nähe zu Luise, indem er ihr Handküsse gibt (S.19,V.1), sie zärtlich umfasst und sie aufhält, als sie sich von ihm abwendet.
Im Gesamten erweckt es in der Szene den Anschein, dass Ferdinand sehr auf Luise einwirkt, während sie distanzierter ist und seine Leidenschaft nicht volkommen teilt.

Ferdinand leitet sein Handeln und Denken vor allem von seiner Neigung ab.
Er lässt sich deshalb als aufbrausend, leidenschaftlich und emotional (vgl. S.19,V.22f.) beschreiben.
Zudem hat er großes Selbstbewusstsein und nimmt in der Beziehung gerne die Rolle des fürsorglichen Beschützers ein.

Luise ist im Gegensatz zu Ferdinand realistisch und behält die Gesselschaftskonflikte wie den Ständeunterschied im Hinterkopf. Sie ist zudem zurückhaltend, was sich auch in ihrem geringen Gesprächsanteil und ihren Gestikulierungen widerspiegelt.

Ferdinands Redeanteil innerhalb des Dialogs dominiert deutlich. Er schweift aus und verwendet zahlreiche Beispiele und Verbildlichungen. Luise hingegen kommt weniger zu Wort und wird einmal in ihrem Satz unterbrochen (vgl.S.19,V.16).
Dieses Ungleichgewicht zeigt sich auch in den Rollen der Figuren.
Ferdinand ist der Dominante in der Beziehung, der diese am liebsten nur nach seinen Vorstellungen leiten will. Auch während des Dialogs geht er nie auf Luises Ansichten ein. Es kommt zu keiner Agumentation, da er nur seine Zuversicht in die Kraft der Liebe und die eigene Stärke ausdrückt. Zudem nimmt er auch gerne die Rolle des Beschützers ein und vergleicht sich sogar mit einem „Zauberdrach über unterirdischem Golde“ (S.20,V.21).In diesem Bild werden auch überzogene Besitzansprüche angemeldet, Ferdinand will also gerne die Kontrolle über Luise haben.

Luises geringer Gesprächsanteil, ihre Zerrissenheit in ihren Aussagen und Gesten und ihr plötzliches Hinausstürzen am Ende weisen darauf hin, dass sie emotional labil ist und in aufbrausenden Situationen nicht klar denken und handeln kann. Sie hat in der Beziehung nicht viel zu sagen und ist Ferdinands Dominanz eher ausgesetzt. Sie lässt sich nicht so sehr von ihren Neigungen leiten, sondern bedenkt ihre Pflichten und den Realitätsbezug im Sachzusammenhang. Sie ist in der Szene vor allem in der unterwürfigen und schwachen Rolle, sie hält den emotionalen Druck am Ende nicht aus und muss hinausstürzen.

Szene 4 trägt im weiteren Verlauf dazu bei, dass Ferdinand sich Luises Sorgen bewusst wird und sie weiterhin eben mehr von seiner innigen Liebe zu überzeugen versucht.

Ich persönlich finde es interessant zu sehen, wie die Rollen in dieser Szene aufgeteit sind.
Es wird deutlich, dass Ferdinand und Luise zwei sehr unterschiedliche Menschen sind
und sich ihr Handeln und Denken von verschiedenen Kriterien leiten lässt.
Während Ferdinand sich sehr von seiner Neigung und seinem Lustbefinden leiten lässt, hat Luise vor allem die Pflicht und Tugendhaftigkeit vor Augen.
Dies lässt sich auch auf die unterschiedlichen Stände zurückführen.
Während das Bürgertum großen Wert auf Tugendhaftigkeit, Moral und Pflicht setzt, hat der Adel vor allem das Vergnügen und das eigene Wohlbefinden vor Augen.
Aus heutiger Sicht ist es interessant zu sehen, welchen großen Einfluss die damaligen Ständegesellschaften auf den Charakter und das Pflichtbewusstsein eines Menschen hatten.

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Szenenanalyse I,4 Kabale und Liebe
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