Aufgabe:


Interpretiert das Gedicht, indem
-Ihr vom Titel und dem ersten Gesamteindruck ausgeht
-Ihr in einer textnahen Beschreibung und Deutung zeigt, wie das Thema inhaltlich und formal gestaltet ist
– Ihr in einer abschließenden Wertung berücksichtigt inwieweit das Gedicht für eine Epoche charakteristisch ist

Das dem Zeitalter des Barock zuzuordnende Sonett “Thränen des Vaterlandes Ann 1636” von Andreas Gryphius greift die Thematik der Vergänglichkeit und des Todes in Kriegszeiten auf und macht auf mich einen düsteren und grausamen Eindruck.

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Wie der Titel des Gedichts verrät, wurde es 1636 geschrieben, inmitten des 30 jährigen Kriegs, einem Religionskrieg zwischen Katholiken und Protestanten. Die Folgen für Deutschland werden bereits im Titel angedeutet: Das “Vaterland” weint, welches so viel bedeuten könnte wie: Die Menschen in diesem Land leiden unter dem andauernden Krieg.

Dieser Eindruck wird im ersten Vers mit der These “Wir sind doch nunmehr gantz, ja mehr denn gantz verheeret!” bekräftigt und durch viele Beispiele belegt. Weiterhin werden die Zerstörung der Stadt, das Leiden der Menschen und die Länge des Kriegs beschrieben, bis schließlich die für das lyrische Ich verheerendste Folge genannt wird: Die Abkehr vom christlichen Glauben.

Das 14-zeilige Sonett ist aus zwei Quartetten und 2 Terzetten aufgebaut. Im ersten Quartett wird der Leser sofort in das Geschehen involviert, da der Autor aus der ersten Person Plural erzählt ( “wir sind…” Zeile 1). Die These, welche aufgestellt wird (siehe oben) unterstreicht er mithilfe eines Ausrufezeichens. Hierauf folgt eine Kumulation von Beispielen, welche einen Parallelismus aufweisen (“die rasende Posaun” in Zeile 2, “die donnernde Carthaun” in Zeile 3). Durch die Zäsuren des verwendeten jambischen Alexandriners, werden Halbverse erzeugt, die entweder wie in Zeile 1 eine Klimax und eine Correctio hervorheben, oder wie an vielen Stellen im Sonett die Beispiele voneinander trennen. Die Beispiele werden unter Verwendung eines Asyndetons aneinander gereiht, wodurch die Wirkung erzielt wird, dass die Thematik sehr eindringlich wirkt. Es entsteht bei dem Leser ein bedrohliches und Angst einflößendes Bild. In Zeile 4 wird schließlich das Ergebnis dieser Aufzählung genannt, “Schweiß und Fleiß und Vorrath” sind verbraucht. Die Verwendung des Tricolons und des Polysyndetons heben diese Begriffe heraus und zeigen, wie schwerwiegend ihr Verlust ist.

Das Reimschema “a-b-b-a” des ersten Quartett wird auch im zweiten übernommen. Dies löst bei dem Leser das Gefühl aus, dass diese zusammen gehören. Auch der Inhalt scheint dies zu bestätigen. Es folgt abermals eine Kumulation von Beispielen unter Verwendung von Asyndeton und Parallelismus. Durch Begriffe wie “Türme”, “Kirch” ( Zeile 5) und auch “Rathauß” wird die Stadt umschrieben (pars pro toto). So wird eine detaillierte Beschreibung der Zerstörung der Stadt und die Verwendung von Metaphern möglich. “Die Türme stehn in Glutt” (Zeile 5) könnte beispielsweise für die zerstörte Verteidigung der Stadt stehen. Eine besondere Bedeutung kommt dem Halbvers “die Kirch ist umgekehret” zu. Im 30-jährigen Krieg, welcher eigentlich ein Religionskrieg war, wurden christliche Werte missachtet und die Kirche stand aufgrund des Konflikts zwischen Katholizismus und Protestantismus wahrlich kopf. Auch diese Strophe wird mit einem Tricolon abgeschlossen (“Feuer, Pest und Tod”). Die gleichzeitig auftretende Klimax vollendet das düstere Bild, welches erzeugt wird.

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Das erste Terzett beschreibt mit Metaphern wie “frisches Blut” ( Zeile 9) und einer Hyperbel (“von Leichen fast verstopfft”, Zeile 11) die Dauer des Krieges und das nie endende Leid.

Im letzten Terzett ist wie häufig in Sonetten eine Pointe zu finden, welche auch im Wechsel der Erzählperspektive zur ersten Person Singular zu erkennen ist. Man könnte deuten, dass nun das lyrische Ich für sich spricht und seine eigene Meinung preisgibt. Über alles Leid, was in den Strophen zuvor beklagt wurde, wird nun der Verlust des christlichen Glaubens gestellt. Der “Seelen Schatz” ist wichtiger als alles Vergängliche auf Erden, was noch einmal mithilfe eines Tricolons zusammengefasst wird (“Pest und Glut und Hungersnoth”, Zeile 13 ). Vergänglichkeit und Ewigkeit werden also im letzten Terzett antithetisch gegenübergestellt.

Diese Frage nach Vergänglichkeit (vanitas) des Diesseits und Ewigkeit des Jenseits ist nicht nur für Andreas Gryphius, sondern für die gesamte Epoche des Barock typisch. Gerade der in dieser Zeit wütende 30-jährige Krieg veranlasste die Menschen einerseits jenseitsorientiert (memento mori) oder diesseitsorientiert (carpe diem) zu leben. Thematisiert wird in dem Sonett nur die Jenseitsorientierung. Demnach sind all die in den erste Strophen aufgezählten Leiden im Diesseits weniger schlimm, als der Verlust des Glaubens und damit der Verlust des Glücks im Jenseits.

Meiner Meinung nach beschreibt das Sonett sehr gut das Leid und Elend der Menschen während des 30-jährigen Krieges, jedoch kann ich persönlich Gryphius’ Ansichten über die Wichtigkeit des Jenseits und die Nichtigkeit des Diesseits nicht teilen. Dennoch ist dieses Werk eine gelungene Abschreckung vor dem Krieg, besonders vor Konflikten zwischen Religionen. Deshalb ist es auch wertvoll für die Planung unserer Zukunft.

Das war eine Interpretation der Thränen (Tränen) des vaterlandes Anno 1636 von Gryphius (Epoche Barock)

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Thränen des Vaterlandes Anno 1636
Wissen verdoppelt sich, wenn man es teilt.
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