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Nathan der Weise Interpretation 1
Im folgenden soll die gekürzte Schlussszene aus Lessings dramatischen Gedicht „Nathan der Weise„, die den Höhepunkt und die Auflösung des Dramas bildet und die Intension noch einmal verdeutlicht, am Ende soll ein Vergleich dieser Schlussszene mit der aus Lessings „Emilia Galotti“ stehen.
Am Anfang der Szene kommt Nathan regelrecht hereingestürzt, um zu verhindern, das Recha und der Tempelherr eine Verbindung eingehen. Er wird mit viel Respekt begrüßt und man hört gerne, was er zu sagen hat. Doch als Nathan eröffnet, dass Recha einen Bruder hat, begegnet der Tempelherr ihm mit Abneigung. Daraufhin enthüllt Nathan, dass der Tempelherr nicht, wie er dachte, Curd von Stauffen ist, sondern Leu von Filnek, er erzählt ihm auch von seinem leiblichen Vater. Danach eröffnet er auch Recha ihren Geburtsnamen: Blanda von Filnek, an dieser Stelle wird nun gesagt, dass der Tempelherr Rechas Bruder ist. Am Anfang steht der Tempelherr dem noch mit großer Ablehnung gegenüber, doch bald nimmt er an, was ihm offenbart wurde und Nathan sagt, dass er sich trotz allem immer noch als Vater von Recha und damit auch vom Tempelherrn sieht. die Szenerie hat nun etwas Von einer Familienzusammenführung, diese wird komplettiert als Saladin mithilfe des Breviers, mit dem Nathan herausgefunden hat, das Recha und der Tempelherr Geschwister sind, und mit dem was Nathan von ihrem Vater weiß, die gute Freunde waren, findet er heraus, dass der Vater der beiden Geschwister, sein verschollener Bruder Ahmed war, welchem der Tempelherr von Anfang an ähnlich sah, nun begeben sich auch Saladin und Sittah in die Familienvereinigung und der Vorhang fällt.
Diese Szene ist sehr wichtig in der Komposition des Dramas: sie führ beide Handlungsebenen zusammen, die zwar vorher leicht durch die Hauptperson Nathan verbunden ist, doch erst hier werden beide Handlungsfäden, die Geschichte um Recha und dem Tempelherren und die mit Saladin und Sittah, miteinander verknüpft.
Außerdem stellt diese Szene noch einmal [wichtige] Aspekte von Nathans Charakteristik dar: Nathan ist ein sehr tugendhafter Charakter, wie sein Beiname schon sagt wirkt Nathan sehr weise, was natürlich auch die Erklärung dafür ist, dass er so respekts- und erwartungsvoll empfangen wird, er weiß über alles bescheid oder hat zumindest die Antworten auf alle ausstehenden Fragen bereit, so hilft er Saladin dabei seine These zu beweisen mit Hilfe des Breviers und seinen Erinnerungen, das weist auf einen anderen Charakterzug Nathans: er ist hilfsbereit, wobei er natürlich seine Behauptung gut recherchiert hat, was auch stark mit der Philosophie der Aufklärung zusammenhängt, die davon abweicht nur zu glauben, sondern die versucht Beweise und Erklärungen zu suchen (das erkennt man auch an Saladin, der erst alles versucht zu Überprüfen, bevor seine Gedanken ausspricht). Zum anderen ist er wirklich ein guter Mensch, er tut nichts aus Eigennutz, gebraucht seinen Verstand eigentlich nur um Probleme anderer zu lösen. Trotz allem er ist sehr emotional, wenn er sich an seinen alten Freund erinnert und in Erinnerung an ihn sich Recha und dem Tempelherren als Vater anbietet.
Diese letzte Szene schlägt auch noch einmal einen schönen Bogen zur Ringparabel, die ja den Schwerpunkt des Stückes bildet. Auch in dieser Szene ist die Gleichheit der Religionen im Mittelpunkt, den Tempelherrn stellvertretend für das Christentum, Nathan und eigentlich auch Recha für das Judentum, Saladin und Sittah für den Islam, und sie alle gehören nun letztendlich zu einer großen Familie, ähnlich der Brüder in der Ringparabel (oder auch im Bezug auf Abraham, der der Stammvater aller drei großen Religionen ist: Vater von Isaak, dem Vater der Israeliten, Vater von Ismael, dem Vater der Araber und damit der Muslime, und Abraham als Stammvater der Juden auch der Stammvater Jesu Christi).
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Anmerkung: Eine zusätzliche Interpretation der Ringparabel ist hier zu finden:
Ringparabel Interpretation
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Das Ende kommt sehr überraschend, zumindest für den damaligen Zuschauer (heutzutage kommt selten etwas überraschend, kennt man ja schon), und genau an dieser Stelle soll nun der Vergleich mit der Schlussszene aus ‚Emilia Galotti‘ beginnen:
Auch in diesem Stück kommt das Ende sehr unvermittelt, man erwartet nicht, dass Emilias Vater auf bitten seiner Tochter Emilia diese ersticht. aber dennoch wurde in beiden Stücken stark auf das Ende hingearbeitet: in Emilia wird der Charakter der Emilia, die immer sehr stark der christlichen Moral verschrieben ist und von ihrem Vater immer wieder in Richtung Ehre gedrängt wird. und im Nathan, in dem vorher die Ringparabel das ende quasi vorrausnimmt. Dennoch kommt das Ende Vollkommen unerwartet wie ein plötzlich Kanonenschlag der zwar am Ende schon etwas verklingt, aber das Publikum doch mit dem Schrecken zurücklässt, vermutlich in der Hoffnung, dass es sie noch über den Vorhang hinaus beschäftigt. Man findet auch rein in der Form Starke Unterschiede zwischen den beiden Dramen, Während das eine doch noch Prosa geschrieben ist, ist das andere in wesentlich komplizierteren und kunstvolleren Blankversen geschrieben. Genauso unterscheiden sich beide Stücke im Genre, Emilia ist ein bürgerliches Trauerspiel (typisch für diese Zeit), der Nathan jedoch ein Ideendrama, beide sind aufgrund dessen auch vollkommen anders angelegt.
Natürlich findet man auch in beiden Fällen Punkte der Hamburgischen Dramturgie von Lessing erfüllt: in beiden Stücken werden Charaktere eingeführt, zu denen man leicht Assoziationen und Identifikationen findet, wenn man lediglich den Charakter betrachtet, und in beiden ist eine starke Emotionalität vorhanden (Liebe zum Partner, Liebe zum Vater, Hass), welche vor allem am Ende auch Stark zu Tage trifft.
Die beiden Schlussszenen unterscheiden sich auch sehr stark, so ist zum Beispiel die Anteilnahme des Zuschauers bei der Emilia größer, da dieses Ende wesentlich negativer gestaltet ist, man leidet mehr mit der Emilia, mit dem Vater (und auch in der Hamburgischen Dramaturgie sagt Lessing ja, dass der Zuschauer mitleiden soll), im Nathan dagegen freut man sich zwar auch mit den Akteuren, aber die emotionale Verbundenheit ist nicht so stark.
Verständlicherweise ist die Thematik eine andere, auch wenn es in beiden Fällen um einen Streit geht, in der Emilia um den Adel und das Bürgertum, im Nathan und die drei Weltreligionen. die unterschiedliche Thematik erklärt auch die unterschiedlichen Ausgänge der beiden Stücke, Lessing sieht das Bürgertum noch zu schwach, noch zu sehr verhaftet in alten Denkstrukturen, Wobei er kritisieren will, was auch Kant kritisierte, die Unmündigkeit. Mit dem negativen Ende will Lessing aufrütteln: „Das geschieht wenn ihr nicht anfangt für euch selbst zu denken!“
Im Nathan dagegen ist ein positives Ende erforderlich, weil er, auch wegen dem Gedanken Bocacchios, zeigen wollte, dass ein Miteinander der Religionen möglich ist, nur zu schade, dass weder der Richter aus der Parabel bei uns war, noch das Lessings Wünsche und Bilder noch nicht Wirklichkeit geworden sind.