Borchert Nachts schlafen die Ratten doch - Interpretation: "Nachts schlafen die Ratten doch" von  Wolfgang Borchert

In der Kurzgeschichte Nachts schlafen die Ratten doch“ von Wolfgang Borchert aus dem Jahre 1949 geht es um einen kleinen Jungen namens Jürgen, der nach einem Bombenanschlag gegen Deutschland im zweiten Weltkrieg Tag und Nacht auf den Trümmern seines Hauses sitzt, um seinen toten Bruder vor den Ratten zu beschützen. Ein alter Mann versucht Jürgen mithilfe einer List davon abzubringen, um ihm einen Neuanfang zu ermöglichen.

Aufbau

Der Text lässt sich in drei Abschnitte gliedern. Im ersten Abschnitt (Z.1-36) sitzt Jürgen am Abend auf dem Schutthaufen seines früheren Zuhauses, als er von einem fremden, alten Mann angesprochen wird. Jürgen will sich zunächst nicht wirklich auf ein Gespräch einlassen und verhält sich misstrauisch. Im zweiten Abschnitt (Z.37-102) taut Jürgen immer mehr auf, bis er schließlich dem alten Mann erzählt, dass er auf seinen Bruder, der an einer Bombe gestorben ist, aufpassen will, damit die Ratten ihn nicht fressen. Der alte Mann will Jürgen helfen und versucht ihn mit seinen Kaninchen von der Ruine wegzulocken. Das schafft er dann auch im letzten Abschnitt( Z.103-131), in dem er Jürgen ein Kaninchen verspricht und dieser endlich neue Freude und Hoffnung schöpft.

Sprachliche Stilmittel

Die Sprache, in der die Geschichte geschrieben ist, ist alltäglich und leicht zu verstehen.

Einige besondere Wörter erzeugen unterbewusst Stimmungen beim Leser. So entsteht durch Wörter wie „Schuttwüste“ und „Staubgewölke“( Z.2;4) ein Gefühl der Zerstörung und Hoffnungslosigkeit, ebenso bei „ hohl, vereinsamt, ärmlich, dunkel, …“( Z.1;5;8). Sofort bekommt die Kurzgeschichte eine triste und monotone Wirkung („gähnen; dösen“ Z.1 und 4), deshalb kann man sie auch gut mit dem zweiten Weltkrieg in Verbindung bringen, da damals genau diese Stimmung herrschte. Im Text gibt es aber nicht nur traurige Stimmungen: Am Schluss widersprechen Bewegungsverben wie „bauen, laufen, schwenken“ oder eher mit Fröhlichkeit gleichzusetzende Wörter wie „Sonne, Aufregung“ der anfänglichen Annahme, das Leben in der Kurzgeschichte stehe still. Auch die Farben rot, grün und weiß, die am Schluss der Geschichte vorkommen, unterstützen diesen Stimmungsumschwung, wobei Rot für Glut und Leidenschaft, Grün für Wachstum und Weiß für Unschuld steht. Das frische, lebendige Grün verdrängt das Grau- es ist also keine Zeit mehr für Trübsinn, da ein Neuanfang bevorsteht.

Von Hoffnungslosigkeit zu Hoffnung

Ähnlich wie der plötzliche Stimmungsumschwung von Hoffnungslosigkeit zu Hoffnung entwickelt sich auch die Beziehung der beiden Personen Jürgen und der alte Mann. Anfangs ist Jürgen verschlossen und für ein neunjähriges Kind sehr erwachsen. Er möchte sich dem alten Mann nicht öffnen, es scheint als habe er das Vertrauen zu allen Menschen verloren. („Das kann ich nicht sagen“, Z.23, 31). Außerdem ist der kleine Junge sehr schlau, was darauf hindeutet, dass er schon viel mitgemacht hat. (Z.37 „Donnerwetter,…fixer Kerl“, Z.63-65 „Du rauchst? … Ich drehe selber. Pfeife mag ich nicht.“). Als sich der alte Mann in Zeile 73 verabschieden will, da Jürgen seine Kaninchen nicht sehen will beziehungsweise kann, jedoch keinen vernünftigen Grund nennt, wird Jürgen doch neugierig und verrät ihm, warum er bei den Trümmern bleiben muss. Hier ist ein Wendepunkt erkennbar. Für den Jungen ist es ein großer Vertrauensbeweis, da er sein Geheimnis sonst niemandem erzählen will. (Z.74 „Wenn du mich nicht verrätst“). Der alte Mann versucht Jürgen aus Mitleid zu überlisten, indem er ihm erzählt, dass die Ratten nachts schlafen, sodass der kleine Junge wenigstens Nachts schlafen kann. Er möchte ihn mit seinen Kaninchen locken. Das Kind in Jürgen kommt nun zum Vorschein, er möchte dem alten Mann gerne glauben. Mit dem Versprechen auf ein Kaninchen gibt der Mann Jürgen neue Hoffnung, plötzlich erscheint alles weniger schlimm. (Z.117-118 „Ich gehe… nach Hause…Kaninchenstall gebaut wird“) Trotz des offenen Schlusses kann man erahnen, dass sich das Leben von Jürgen nun bessern wird, weil er nun etwas hat, woran er sich festhalten kann. Er hat außerdem Vertrauen zu dem alten Mann gewonnen. (Z.121-123 „Ja! Ich warte bestimmt!“).

Der Anfang der Kurzgeschichte (Z.1-14) besteht aus einem Bericht eines allwissenden Erzählers, wodurch man sich einen Überblick über die Situation und die Umgebung in der Geschichte verschaffen kann. Ein Großteil im Text ist der Dialog zwischen Jürgen und dem alten Mann, ab und zu wird auch von Jürgens Gedanken und Gefühlen erzählt. Ab Zeile 124 endet die Geschichte, wie sie begonnen hat, mit einem Erzählerbericht. Beim Vergleich von Anfang und Ende werden Wiederholungen erkennbar, wie die rote Abendsonne (Z.2; 126), die krummen Beine des alten Mannes und der Korb mit Kaninchenfutter. Allerdings mit kleinen Veränderungen: ( Z.9“ Die standen ziemlich krumm vor ihm“ / Z.124-125 „Er lief mit seinen krummen Beinen auf die Abendsonne zu“); (Z.13 „Der hatte einen Korb in der Hand“/ Z.128-129 „Und der Korb schwenkte aufgeregt hin und her“). Dadurch entsteht zwar eine gewisse Melancholie, aber auch ein schönes Gefühl der Geborgenheit und das Wissen, das sich etwas verändert/bessert.

Fazit

Die Kurzgeschichte ist sehr passend zur Biographie des Autors Wolfgang Borchert (1921-1947), der zur Zeit des Nazionalsozialismus kritische Gedanken äußerte. Meiner Meinung nach zählt auch diese Geschichte zu diesen „Gedanken“, da an dem armen, kleinen Jungen, der an seinem zerstörten Haus versucht, den Tod seines kleinen Bruders durch einen Bombenanschlag zu verarbeiten, indem er Tag und Nacht über ihn wacht, eine durchaus mögliche Situation im zweiten Weltkrieg gezeigt wird. Die Geschichte macht den Leser sehr traurig und mitfühlend, wodurch die Wut auf die Menschen, die dafür verantwortlich waren, noch größer wird. Trotzdem zeigt die Geschichte durch die Figur des alten Mannes, das es immer noch Hoffnung gibt, und nie alles zu spät ist. Ich finde die Geschichte sehr berührend, traurig und schön zugleich, und ich habe beide Figuren( Jürgen und der alte Mann) sofort ins Herz geschlossen.

Weiterführende Informationen zu Borcherts “Nachts schlafen die Ratten doch”

Interpretationen

Bücher

Foto: Richard Peter, Deutsche Fotothek/Wikimedia

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Interpretation: “Nachts schlafen die Ratten doch” von Wolfgang Borchert
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