Goethe, Faust 1, „Vorspiel auf dem Theater“, Zusammenfassung und Interpretation

In dem „Vorspiel auf dem Theater“ diskutieren ein Dichter, ein Direktor und eine
lustige Person (damit ist ein Schauspieler gemeint, im Folgenden auch nur noch so
bezeichnet) über ein neues, noch zu konzipierendes, Theaterstück, wobei der Direktor
den unternehmerischen, der Dichter den künstlerischen und der Schauspieler den
unterhaltenden Einfluss, bei einer solchen Theaterproduktion, repräsentiert.
Zu beginn fordert der Direktor vom Dichter ein Stück, welches die Massen ins
Theater locken soll (V.49, V.58). Der Dichter allerdings ist der Masse überdrüssig und
verlangt künstlerische Freiheit, denn nur diese schaffe Nachhaltiges (V.59f, V.73f).
Nun schaltet sich auch der Schauspieler ein und erinnert an den Faktor Spaß, der
einem jedem Publikum nicht vergönnt sein sollte (V.85ff). Der Direktor pflichtet dem
teilweise bei und erklärt dem Dichter, dass dieser kein in sich geschlossenes Drama
entwerfen müsse, sondern auch schon einzelne Teile genügen würden (V.99-103). Der
Dichter geißelt dies wiederum als „Pfuscherei“ und zeigt sich empört von der
Einstellung des Direktors (V.104-107). Seine Empörung wird noch größer, nachdem
der Direktor ihm erklärt, er solle sein Stück auf das Publikum zuschneiden und, ganz
dem heutigen Clubprinzip, der Anziehung von Besuchern durch schöne weibliche
Gäste, entsprechend, die Gesellschaft der „Zerstreuten“ ansprechen; mit anderen
Worten fordert er Kitsch für ein kitschiges Publikum (V.111-120). Desweiteren
erläutert er, dass es dafür keine große Handwerkskunst und Genialität brauche
(V.127f) und stellt seine Forderung gegenüber dem Dichter klar („Sucht nur die
Menschen zu verwirren, Sie zu befriedigen ist schwer“ V.131f). Die beleidigte
Empörung des Dichters („Geh hin und such dir einen andern Knecht!“ V.134) mündet
in einer Lobpreisung an die Dichtkunst und dichterischer Genialität (V.138-157). Hier
schaltet sich wieder der Schauspieler ein, erinnert an die nicht zu vergessenen
„schönen Kräfte“ (V.158), vergleicht ein Drama mit einem Liebesabenteuer (V.158ff)
und ermutigt den Dichter nicht zu zaudern und sich allen Facetten des Lebens zu
bedienen („Greift nur hinein ins volle Menschenleben!…“V.167ff). Der Dichter
erklärt er müsse sich wieder in seine Jugend hineinversetzen können, um die nötigen
jugendlichen Triebe (Liebe, Hass, die Suche nach Wahrheit) zu erfassen, damit er ein
gelungenes Drama dichten könne, und bittet den Schauspieler ihm dabei zu helfen
(V.184, 192ff). Der Schauspieler entgegnet ihm daraufhin, dass er dies nicht
unbedingt benötige und die Weisheit seines Alters nicht unbedingt unterschätzen
sollte (V.210f).
Der Direktor unterbricht und beendet in Folge die Diskussion und fordert, dass sich
Schauspieler und Dichter an die Arbeit setzen sollen, um ein gelungenes Stück
auszuarbeiten und dabei keine Zeit mehr zu verschwenden (V.214f). Zum Schluss
macht er noch einmal klar, dass den Künstlern alle nötigen Mittel, zur Schaffung
eines außergewöhnlichen Spektakels, welches sich möglichst von denen anderer
Produktionen unterscheiden sollte, zur Verfügung stehen und beendet seine Rede mit,
den auf das Werk „Faust“ übertragbaren Worten

„So schreitet in dem engen Bretterhaus
Den ganzen Kreis der Schöpfung aus
Und wandelt mit bedächt`ger Schnelle
Vom Himmel durch die Welt zur Hölle.“
(V.239-242)

Nun beginnt der interpretative Teil…

Das „Vorspiel auf dem Theater“ ist ein Prolog, welcher wie die „Zueignung“ und im
Gegensatz zum „Prolog im Himmel“ nicht zur Handlung der Tragödie gehört. Es gibt
Faustaufführungen bei denen dieser Prolog gar nicht berücksichtigt wird. Das
„Vorspiel auf dem Theater“ spiegelt den Interessenkonflikt verschiedener Aspekte zur
Produktion eines Theaterstücks wieder, wie schon erwähnt, zwischen dem
unternehmerischen Aspekt (verkörpert durch den Direktor), dem künstlerischen
Aspekt (verkörpert durch den Dichter) und dem unterhaltenden Aspekt (verkörpert
durch die lustige Person/Schauspieler). Der Direktor und der Dichter bilden dabei die
Gegenpole, während der Schauspieler als Vermittler zwischen den Beiden auftritt und
sowohl dem Einen als auch dem Anderen hin und wieder beipflichtet, so etwa wenn
er die Meinung des Direktors aufnimmt und verkündet, dass das Stück das Volk bei
Laune halten solle („Was macht denn de Mitwelt Spaß? Den will sie doch und soll
ihn haben.“ V.77f), und wenn er den Dichter ermutigt seine Arbeit zu machen und ihn
probiert mit Ratschlägen zu Seite zu stehen (V.174-179, V.210ff). Der Schauspieler
sieht das Produktionsteam als „Wir“ und probiert die Anderen zu animieren („Lasst
uns auch so ein Schauspiel geben!“ V.166).
Die Positionen sind klar verteilt, der Dichter und der Schauspieler sind die Künstler,
die von dem Direktor bezahlt werden und für ihn arbeiten. Dies lässt den Künstler
aber nicht davon abbringen den Forderungen des Direktors vehement zu
widersprechen und seinen Standpunkt klar zu verdeutlichen. Der Direktor verändert
dabei seine Einflussnahme, zu beginn probiert er die Konzeption des Stückes nach
seinen Vorstellungen zu beeinflussen, gerät dabei aber in Streit mit seinem
Hauptverantwortlichen der Künstlerriege, dem Dichter, der das Stück schreiben soll.
Die Situation droht zu eskalieren als der Dichter sich weigert unter den Vorgaben des
Direktors zu arbeiten („Geh hin und such dir einen andern Knecht!“ V.134). Hier tritt
der Schauspieler als Schlichter auf indem er den Dichter in eine Diskussion über die
Theaterkunst verwickelt (von Vers 158 bis Vers 213). Der Direktor hält sich aus dem
Dialog zwischen den beiden Künstlern heraus, die sich offenbar gut verstehen, so
bezeichnet der Schauspieler den Dichter als „guten Freund“ (V.198). Der Direktor
erkennt offenbar, dass er die künstlerische Arbeit lieber seinen Künstlern überlassen
sollte und wahrt sich lediglich einen groben Einfluss („Euch ist bekannt was wir
bedürfen: Wir wollen stark Getränke schlürfen; Nun braut mir unverzüglich dran!“
V.222ff). Zudem stellt er klar, dass er nicht an Mitteln und Geld spart, um ein
gelungenes Theaterstück, ganz nach den Vorstellungen der Künstler, möglich zu
machen. Mit diesem Vertrauensbeweis beendet der Direktor die Diskussion.

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Interpretation von Vorspiel auf dem Theater
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