Gliederung

1.) Einführung in das Gedicht „Auf der Terrasse des Café Josty“ von Paul Boldt aus dem Jahre 1912 anhand des Künstlers

2.) Erschließung und Interpretation des Werkes von Boldt

2.1 Beschreibungen des Potsdamer Platz von der Terrasse des Künstlercafés
2.1.1 Erste Strophe: Großstadtlärm Berlins
2.1.2 Zweite Strophe: Gestresste Menschenmassen
2.1.3 Dritte Strophe: Erläuterung des Nachtlebens
2.1.4 Vierte Strophe: versteckte Wahrheit der Großstadt

2.2 Form und Sprache
2.2.1 Anzahl der Strophen und Verse
2.2.2 unregelmäßiges Metrum mit Dominanz des Jambus
2.2.3 Reimschema und Reimart
2.2.3.1 Quartette mit umarmenden Reimen
2.2.3.2 Terzette mit Übergängen: Kreuzreime und Paarreim
2.2.4 Schriftbild
2.2.4.1 Enjambements

2.2.5 Stilmittel
2.2.6.1 Personifikationen
2.2.6.2 Metaphern
2.2.6.3 Pars Pro Toto
2.2.6.4 Neologismus
2.2.6.5 Farbliche Deutung
2.3 Gesamtdeutung des Gedichts
2.3.1 Lebensgefühl des Menschen in einer Großstadt

3. positives und negatives Lebensgefühl

Berlin die Großstadthölle
„Zu den Zierden Deutschlands gehören seine Städte. Unter ihnen ist Berlin weder die älteste noch die schönste. Unerreicht aber ist seine Lebendigkeit“ Dieses Zitat von Richard von Weizsäcker könnte als Folge auf das Gedicht „Auf der Terrasse des Café Josty“ von Paul Boldt aus dem Jahre 1912 entstanden sein. In diesem Werk wird von einem Künstlercafé aus beschrieben, wie der Potsdamer Platz bei Tag und bei Nacht aussieht, wie sich die Berliner im Alltag verhalten und das wahre Gesicht, nämlich die unerträgliche Lebendigkeit dieser Großstadt, aufgedeckt. Der Autor, der einst selbst in Berlin lebte, drückt anhand metaphorischer und hypotaktischer Sprache seine Ansichten vom Berliner Großstadtleben aus. Im Folgenden soll nun das Werk auf Inhalt, Form und Sprache analysiert werden.
Zunächst kann festgestellt werden, dass sich das Gedicht inhaltlich in vier Stationen einordnen lässt, welche gleichwohl auch die Strophen bilden. Die erste Strophe beschreibt den Großstadtlärm, den das lyrische Ich vom Café aus wahrnehmen kann. Durch die Nennung des „Menschenmüll“(Vers 4) an letzter Stelle soll verdeutlicht werden, dass die Industrie und der Verkehr die Leute im Chaos untergehen lässt. In der zweiten Strophe werden die Menschenmassen, welche vom Café aus zu sehen sind und fast roboterhaft über den Potsdamer Platz stürmen, beschrieben. Nun ist ein Bruch im Stück zu erkennen, der auch optisch durch die verkürzten Strophen sichtbar wird. Der Autor befasst sich jetzt mit dem unheimlichen Nachtleben Berlins. Anschließend wird in der vierten Strophe noch mal genauer auf das wahre Leben, das sich in der Hauptstadt abspielt, eingegangen und die Ausweglosigkeit beschrieben.

Weiterhin soll des Gedichtes Form und Sprache entschlüsselt werden. Die Anzahl der Strophen beschränkt sich hier auf vier, wobei die ersten Beiden jeweils ein Quartett, die letzten zwei ein Terzett bilden. Es ist anzunehmen, dass dies die Trennung von Tag- und Nachtleben noch einmal optisch verstärken soll.

Der Autor legt sich auf kein einheitliches Metrum fest, jedoch ist eine Dominanz des Jambus mit männlicher Kadenz feststellbar. Jedoch kann hier auch ein Anapäst, wie beim „Potsdamer Platz“ (Vers 1) festgestellt werden. Dieser ist hier hervorgehoben, da der Schauplatz dieses Gedichtes das Café Josty ist, von dem aus der Platz zu beobachten ist. Außerdem stolpert der Leser über die Gedanken der Menschen in den zwei Daktylen (Vers 6). Es ist anzunehmen, dass diese Unregelmäßigkeiten die wirre Großstadt und das fatale Leben in ihr verdeutlichen sollen.

Hervorzuheben sind die Reimschemen, die Boldt in seinem Werk verwendet. In Den Strophen des Tages verwendet er zwei umarmende Reime, jedoch kombiniert er bei den Terzetten die reimenden Verse über die Strophen hinweg und lässt somit eine Zusammengehörigkeit dieser beiden „Nachtstrophen“ erkennbar werden. Hier werden zwei Kreuzreime und nur ein Paarreim verwendet. Dieser Paarreim entschlüsselt das wahre Gesicht Berlins. Außerdem bildet Boldt durch Enjambements ein zerrissenes Schriftbild. Er schreibt sogar über Strophen hinweg einen „Großvers“ wie bei Vers sieben, dessen Bedeutung erst in Vers zehn endet.

Weiterhin verwendet der Autor beachtenswerte Stilmittel, wie den Potsdamer Platz (Vers eins) – eine Personifikation. Dieser wird in dem Gedicht also öfter hervorgehoben und hat eine wichtige Bedeutung als Ort des Geschehens. Liest man dort weiter kann man gleich im zweiten Vers eine Metapher entdecken: „Vergletschert alle hallenden Lawinen“. Dies soll den immer fortwährenden Lärm, den die Menschen scheinbar unwissend selbstverschuldet machen, ausdrücken. Der Gletscher steht hier für eine große Masse an Lautstärke, die wie eine Lawine kein Ende findet, bis sie von selbst aufhört weiterzulärmen. Außerdem kann eine Metapher in Vers sechs festgestellt werden. Der Vergleich „Ameisenemsig, wie Eidechsen flink“ soll dass tierische Verhalten der Menschen in der Großstadt aufzeigen. Das stupide und einfache Verhalten der Leute wird auch anhand des Pars Pro Toto „Stirne und Hände“ in Vers sieben deutlich. Boldt sieht die Menschen dort nicht mehr als schlaue und denkende Gestalten an, er wertet sie als tierische Teile eines „Dunklen Wald(es)“ (Vers acht) ab, die gedankenverloren und ausweglos den Ausgang suchen. Der Autor erschafft das neue Wort „blink“ in Vers sieben, was vermutlich reimabhängig eingesetzt wurde und somit dem Neologismus keine größere Bedeutung zugesprochen werden kann.
Die Farbliche Deutung des Gedichtes ist als höchst relevant einzuschätzen. Sie decken die Fehlbarkeit der Großstadt auf, beispielsweise bei dem Oxymoron „Fledermäuse, weiß“ in Vers zehn. Die „lila Quallen“ in Vers elf sollen genauso wie die „bunten Öle“ im Selbigen Vers den Ekel, der durch Berlin erzeugt wird, aufzeigen.. Durch Wörter wie „Sonnenlicht“ in der zweiten Strophe oder den „dunklen Wald“ in demselben Vers (acht) wird eine gespannte Stimmung erzeugt und der deutliche Gegensatz von den unpassenden Bürgern zu der Hauptstadt vermittelt.

Paul Boldt konstruierte sein Werk so geschickt, dass die Abscheu, die das Lyrische ich gegenüber der Metropole Berlin hegt, unverkennbar zum Vorschein kommt. Inhaltlich beschränkt er sich auf diesen Gedanken, drückt ihn jedoch in verschiedensten Formen aus. Durch die Trennung von Tag und Nacht schafft er ein neues Ambiente. Trotz der vielen Stilbrüche wirkt das Werk abgerundet und gefeilt.

Die typisch expressionistische Weise des Werkes stellt klar das Lebensgefühl eines Menschen in diesem Zeitalter in Berlin dar. Es ist unklar ob Richard Weizäcker das Lebensgefühl als positiv empfunden hat. Sicher jedoch ist, dass Paul Boldt genau das Gegenteil, nämlich die negativste Seite der Großstadt sieht. Schade, dass der Autor schon 1921 starb, ein Aufeinandertreffen von Weizäcker und Boldt wäre sicher interessant gewesen.

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Gedichtinterpretation: Auf der Terasse des Café Josty
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